Selbstverliebte Führungskräfte führen nicht gut!
Ein Psychologe erklärt, warum so viele inkompetente Männer in Führungspositionen landen
„Viele Führungskräfte wollen eigentlich gar nicht führen, sie sind irgendwie dazu gemacht worden.
Andere wollen unbedingt führen, können es aber nicht“, sagte der Arbeitspsychologe Markus Markus Dobler 2019 in einem Vortrag über schlechte Chefs.
Zu letzterer Gruppe dürfte den meisten von euch sofort mindestens eine Person eingefallen sein.
Die Bilanz ist schockierend: Eine Gallup-Untersuchung von 2019 zeigt,
• dass fast sechs Millionen Arbeitnehmer in Deutschland innerlich gekündigt haben.
• 650.000 von ihnen sind bereit für den Jobwechsel und aktiv auf der Suche nach einem anderen Job.
• Und nur die wenigsten (15 Prozent) haben eine hohe emotionale Bindung an ihr Unternehmen.
• Das führt zu einem enormen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 122 Milliarden Euro jährlich.
Der Untersuchung zufolge sind fehlende Führungsqualitäten verantwortlich für die schlechte Mitarbeiterbindung.
Das Problem:
Im Gegensatz zu ihren Mitarbeitern ist eine unfähige Führungskraft oftmals vollkommen überzeugt von ihrer eigenen Kompetenz.
Warum es immer wieder inkompetente Menschen in die Führungsetage schaffen und warum diese meistens männlich sind, hat der Organisationspsychologe Tomas Chamorro-Premuzic erklärt.
Wenn sich Menschen für talentierter halten, als sie es tatsächlich sind
Das Phänomen, dass sich jemand für talentierter hält, als er oder sie wirklich ist, ist als Dunning-Kruger-Effekt bekannt. Geprägt wurde der Name von den Psychologen David Dunning und Justin Kruger von der Cornell University.
Im Jahr 1999 konnten sie in einer Studie nachweisen,
dass gerade Menschen mit wenig ausgeprägten Kompetenzen dazu neigen, ihre Fähigkeiten stark zu überschätzen.
Ob Männer eher als Frauen dazu neigen, wurde in der Studie nicht dargelegt – Chamorro Premuzic ist jedoch der Ansicht, dass das Phänomen bei Männern häufiger auftritt als bei Frauen.
Die Überschätzung der eigenen Kompetenz führt zu einem für die Betroffenen angenehmen Nebeneffekt, der jedoch weniger angenehm für andere ist: Sie haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine erfolgreiche Karriere zu haben.
„Der beste Weg, andere Menschen davon zu überzeugen, dass man besser ist als in Wirklichkeit, ist, sich erst mal selbst zu täuschen“, so der Psychologe.
Dass sie damit durchkommen, liegt Chamorro-Premuzic zufolge daran,
dass es uns Menschen schwerfällt, zwischen Selbstbewusstsein und Kompetenz zu unterscheiden.
„In verschiedenen Kulturen und Ländern neigen wir dazu, anzunehmen, dass selbstbewusste Menschen ein höheres Potential für eine Führungsposition haben.“
Dabei gebe es bei Führungsqualitäten nur eine sehr geringe Überschneidung von Selbstbewusstsein (für wie gut sich Menschen auf einem Gebiet halten) und tatsächlicher Kompetenz (wie gut sie tatsächlich in etwas sind).
Charisma steht nicht für Talent
Ein weiterer Grund ist laut Chamorro-Premuzic ein Trend, der mit der Digitalisierung einhergeht:
Das Bedürfnis nach charmanten und unterhaltsamen Anführern.
Das macht sich zum Beispiel bei Netflix und Co. bemerkbar: Don Draper, Jordan Belfort oder sogar Stromberg — sie alle sind entweder charismatisch oder einfach nur lustig. Aber sind sie auch gute Chefs? Nicht wirklich.
„In Wirklichkeit sind die besten Führungskräfte eher bescheiden als charismatisch,
so sehr, dass sie manchmal sogar langweilig sind“, sagte Chamorro-Premuzic.
Narzissten wirken zunächst attraktiv
Als dritten Grund dafür, dass inkompetente Männer häufiger in Führungspositionen landen, nennt der Psychologe
die Anziehungskraft, die Narzissten auf andere ausüben.
In einer Studie konnten Grazer Psychologen zum Beispiel anhand eines Speed-Dating-Experiments zeigen,
dass Narzissten zumindest kurzfristig überdurchschnittlich anziehend wirken.
„Wir haben schon immer berühmte Menschen bewundert, aber unsere Bewunderung für Menschen, die sich selbst bewundern und die einfach nur dafür bekannt sind, berühmt zu sein, steigt seit Jahrzehnten“, so Chamorro-Premuzic.
Narzisstische Chefs sehen ihre Führungsposition als ihr gutes Recht an, es mangelt ihnen an Empathie und Selbstkontrolle.
„Im Gegensatz dazu halten die besten Führungskräfte ihren Narzissmus im Zaum.
• Ihnen sind andere Menschen sehr wichtig,
• sie achten auch darauf, was andere von ihnen halten und sie verbringen viel Zeit damit, sich Gedanke n über ihr Image zu machen — was der Grund dafür ist, dass es so wenige Skandale über sie gibt.“
RESILIENZ IST DIE FALSCHE ANTWORT
WER RESILIENT IST, IST NICHT UNTERZUKRIEGEN.
ABER ER FINDET SICH AUCH DAMIT AB, DASS SICH AN DEN URSACHEN FÜR PROBLEME NICHTS ÄNDERN LÄSST.
ANGELEHNT AN EIN INTERVIEW MIT DER SOZIOLOGIN STEFANIE GRAEFE.
FAZ/FAS, 21.02.2021
Was macht diese derzeit so attraktive Vorstellung von Resilienz aus?
Im Kern meint Resilienz hier, dass ein Mensch trotz schlechter Rahmenbedingungen, Stressbelastungen und sonstiger Zumutungen des Lebens psychisch stabil bleibt, harte Zeiten gut durchsteht, nicht unglücklich oder langfristig depressiv wird. Resilienz ist ein Krisenbewältigungskonzept.
Das klingt erst mal nicht übel.
Klar. Das ist etwas, was wir alle wollen und in schweren Phasen instinktiv auch versuchen. Wir fragen uns: Welche Möglichkeiten habe ich, die Situation zu gestalten? Raten wir Freunden in Lebenskrisen etwas, dann oft im Sinn der populärpsychologischen Resilienz. Darin sehe ich auch nicht unbedingt ein Problem.
Worin sehen Sie eines?
Zunächst darin, dass so eine Banalität - Menschen möchten Krisen gut durchstehen - zu einem allgemeinen Handlungsideal wird. Auch unabhängig von Notfall- lagen sollen wir heute resilient sein; sind wir es nicht, müssen wir es lernen.
Während man früher annahm, Resilienz sei angeboren oder werde früh in der Kindheit erworben, geht man nun davon aus, dass sie von jedem trainiert werden kann. Damit wird Resilienz zu einer Haltungs- und Handlungsanforderung, der sich niemand mehr entziehen kann, zumal dann nicht, wenn die Welt weithin
als krisenhaft wahrgenommen wird.
Kürzlich habe ich ein Online-Training zum Aufbau von Stress-Resilienz absolviert.
Ich lernte, meine Stresswarnzeichen zu erkennen, sollte mich in einer „optimistischen Grundhaltung" üben, in „Selbstfürsorge" und ,,Achtsamkeit". Das mache mich zu einem „Fels in der Brandung".
Eine repräsentative Anleitung mit Blick auf Resilienz-Praktiken?
Es ist typisch, dass zum Resilienz-Training nach persönlichen Stressfaktoren und Ressourcen gefragt wird und bekannte psychologische Konzepte wie Selbstfürsorge, Selbstwirksamkeit und Selbstregulation eingesetzt werden.
Bei der Resilienz gibt es aber eine wichtige Akzentverschiebung, UND DIE ZEIGT SICH GENAU IM BILD DER „BRANDUNG".
Darin steckt die zentrale Botschaft des Resilienz-Diskurses:
Wir leben in stürmischen Zeiten, und daran kann man nichts machen. KRISEN WERDEN „NATURALISIERT", SELBST WENN SIE VON MENSCHEN VERURSACHT SIND.
Dabei ist ja sogar bei Naturkatastrophen oder Pandemien immer fraglich, zu welchen Anteilen sie
nicht doch menschengemacht sind.
UNTER DER ÜBERSCHRIFT RESILIENZ BLEIBT ABER UNKLAR UND GLEICHGÜLTIG, WAS FÜR EIN STURM GERADE WÜTET UND WIESO. ES GEHT ALLEIN DARUM, MIT ALLER KRAFT EIN FELS IN DER BRANDUNG ZU WERDEN.
Sie kritisieren, dass Resilienz als Programm entpolitisiert. Inwiefern?
Wer resilient ist, erkennt an, dass die Welt schwierig ist, ist aber nicht unterzukriegen.
ER FINDET SICH DAMIT AB, DASS SICH AN DEN URSACHEN FÜR EXISTIERENDE PROBLEME NICHTS ÄNDERN LÄSST. WAS SICH ÄNDERN LÄSST, IST DAS EIGENE ERLEBEN UND DIE PERSÖNLICHE MENTALE UND EMOTIONALE WIDERSTANDSFÄHIGKEIT.
Mit Verweis auf Resilienz können gesellschaftliche Missstände somit individualisiert und psychologisiert werden.
STRUKTURELLE GRÜNDE DIESER MISSSTÄNDE WERDEN AUSGEBLENDET, Fragen nach der Verteilung von Macht, nach ungleichen materiellen Voraussetzungen ODER DER VERANTWORTUNG FÜR KRISENURSACHEN GAR NICHT MEHR GESTELLT.
ES REICHT, WENN WIR AUSREICHEND RESILIENT SIND! „ALS FELS IN DER BRANDUNG STEHEN WIR DAS DURCH!“